Appalachian Trail

Im Sommer 2010 sind wir einen Teil des Appalachian Trails im Osten der USA gelaufen. Von Central Virginia ging es bis nach Pennsylvania hinein, insgesamt waren das knapp 500 Kilometer. Der Blog hält fest, was uns vor, während und nach der Tour bewegt hat:

2ter Teil Ausrüstung Appalachian Trail und Erfahrungsberichte

Die Unterkunft: Salewa Sparrow II, Mountain Equipment Classic Dragon 500, Evazote Isomatte Standard

Über das Salewa kann ich positiv berichten: Preis ok, Gewicht mit 2200 Gramm für zwei Personen ebenfalls ok, Verarbeitung prima, Aufbau leicht und auch im Regen möglich. Wir zwei Mädels hatten zum Schlafen auf jeden Fall genug Platz, auch wenn die Isomatten nicht ganz nebeneinander gepasst haben. In der Apsis kamen unsere Wanderstiefel unter, die Rucksäcke haben einen Müllsacküberzug bekommen und blieben draußen. Töpfe, Kocher und Nahrungsmittel mussten sowieso in den bear bag.
Wir haben insgesamt nur ein paar Mal gezeltet, drei Nächte aber hat es ziemlich geschüttet. Auch hier: Das Salewa hat uns nicht enttäuscht und Wind und Regen standgehalten.

Die Nachteile würde ich so zusammenfassen:
- für zwei Personen gerade noch ausreichend (man muss sich mögen)
- die Lüftung reicht nicht aus, innen sammelt sich Kondenswasser (hält sich aber in Grenzen)
- Gepäck passt nicht in die Apsis, die großen Rucksäcke müssen draußen bleiben

Der Mountain Equipment Classic Dragon 500 war im vergangenen Jahr ein echtes Schnäppchen, Globetrotter hatte den Daunenschlafsack um 60 Euro reduziert. (Google Analytics konnte gar nicht so schnell tracken, wie ich den Bestellbutton gedrückt habe...) Ich wollte einen Schlafsack, der bei wenig Gewicht möglichst warm hält und dabei günstig ist. Der ME Classic Dragon war damit die richtige Wahl für mich.
Natürlich: Für den Trail im Sommer hätte es vermutlich auch ein dünnerer und damit leichterer Schlafsack getan. Ich schlief meist mit offenem Reißverschluss und kuschelte mich erst in den Morgenstunden vollständig ein. Allerdings hatten wir auch drei, vier empfindlich kühle Nächte, wo ich froh war, einen dickeren Schlafsack dabei zu haben.
Kleine Anekdote: Unser Ex-Knacki hatte statt einem Schlafsack eine Fleecedecke dabei ("Ich war in Deutschland Hafenarbeiter. Ich brauch nix weiter."). In der Nacht wurde es allerdings so kalt, dass er jede Stunde aufstand und erst mal drei Runden um das Shelter rannte, um wieder warm zu werden. Er sah nicht fit aus am Morgen... :)

Ich jedenfalls bin mit dem Mountain Equipment Classic Dragon zufrieden: gute Passform (ich bin 1,72m), wenig Daunenverlust, gute Verteilung in den Kammern, kleines Packmaß. Ich hatte irgendwo gelesen, dass der Schlafsack ziemlich nach Gänsestall muffeln soll - das kann ich nicht bestätigen. Auch eine Wäsche mit Spezial-Daunenwaschmittel hat der Schlafsack unbeschadet überstanden.

Noch ein paar Worte zur Isomatte. Die meisten Hiker hatten natürlich eine Therm-a-rest-Matte dabei. Auf dem harten Shelterboden sicher eine Komfortentscheidung. Ich muss aber sagen, dass ich momentan noch sehr gut auf den Matten von Evazote schlafe. Isolierung ist super, Material so ziemlich unverwüstlich. Ich hatte die Isomatte draußen am Rucksack, damit war das Packmaß kein Problem. Gewicht ist mit 440 Gramm absolut in Ordnung.


Die Versorgung: Juwel Benzinkocher, Aloksak Odor Proof Bag, Aquamira Frontier Pro Wasserfilter

Was haben wir uns Gedanken wegen des Kochers gemacht. Gas ja oder nein, lieber Benzin oder nicht... Letztlich hatten wir uns aus zwei Gründen für den Juwel Benzinkocher entschieden:

1. billig.
2. Benzin gibt's überall, notfalls an der Tanke.

Für den AT aber ist Benzin keine gute Entscheidung. Die meisten Hiker benutzen Alkohol- oder Gaskocher. Die kleinen Stores am Trail sind darauf eingestellt und verkaufen deshalb nur noch selten richtiges "fuel" für Benzinkocher. Auch ist der Juwel mit 600 Gramm nicht gerade ein Leichtgewicht. Benzin ist außerdem eine schmutzige Angelegenheit, wir mussten öfter die Düse reinigen, da sonst gar nichts mehr ging. Das Vorheizen war ebenfalls eine nervige Sache. Moderne Benzinkocher haben ein Pumpsystem, der Juwel aber funktioniert etwas simpler: Man gibt Benzin oder Brennpaste in die Vertiefung rund um die "Brenneinheit", zündet das Ganze an, dreht dann den Hahn auf und steckt das entstehende Gas in Brand. Das ging leider nicht immer ohne Stichflamme vonstatten. Zwar kann man den Kocher ziemlich gut selbst in Schuss halten (Werkzeug und Ersatzteile sind dabei - und selbst wir konnten den Juwel auseinander - und viel wichtiger - wieder zusammenbauen) - aber letztlich war es doch ein anstrengendes Gefummel. Ich habe mir auf jeden Fall Mal ein Spiritus-Kochset von Esbit bestellt, das inklusive Kocher, Gestell, Topf und Tasse 400 Gramm wiegt. Ausprobieren konnte ich es noch nicht - ich berichte dann. (Die Hiker auf dem Trail hatten entweder Esbit, Trangia oder selbstgebaute Kocher aus Colabüchsen).

Die Aloksak Odor Proof Bags (drei Stück, 130 Gramm) waren eine praktische Sache. Wir haben Lebensmittel, Medikamente und Hygienesachen darin aufbewahrt. Allerdings sind zwei von drei Tüten innerhalb der ersten Woche am Verschluss kaputt gegangen und waren damit nicht mehr geruchssicher. Die meisten Wanderer auf dem Trail hatten wasserdichte Sea to Summit Beutel dabei, die sind leicht, praktisch und ziemlich robust. Zudem kann man die größte Variante prima als bear bag benutzen und am Rollverschluss aufhängen.

Der Aquamira Frontier Pro. Es war ein Trauerspiel, ehrlich. Ganze drei Tage hat der passiv/aktive Filter der Wildnis getrotzt. Und das heißt nicht, dass er diese Tage astrein funktioniert hätte. Ständig mussten wir schrauben und fummeln, damit das Wasser seinen Weg in die Trinkflaschen fand. Absolut unzuverlässig und reine Geldverschwendung. Die chemische Keule, für die wir uns dann entschieden haben, ist - meiner Meinung nach - viel besser als ihr Ruf. Wir hatten Aquamira-Tropfen und sind damit sehr gut zurechtgekommen. Der Geschmack war auszuhalten, die Reinigung dauerte 30 Minuten - für so viele Liter, wie man trinken möchte. Zudem werden nicht nur Bakterien, sondern auf Viren eliminiert. Nur bei ziemlich schmutzigen Wasser wird es unangenehm, da die Sedimente natürlich vollständig drin bleiben. Wir haben dann oft einfach unser Geschirrhandtuch als Vorfilter benutzt. Die anderen Wanderer hatten meist ebenfalls Tropfen dabei, viele auch die UV-Licht-Filter. Letztlich ist es wohl immer auch eine persönliche Entscheidung.

Hygiene, Medikamente und sonstiges Zubehör

Was wir uns hätten sparen können: Das Eubos Waschstück. Unterwegs auf dem Trail haben wir uns mit klarem Wasser gewaschen, später hatten wir auch Feuchttücher dabei. Auf den Campgrounds haben wir sowieso immer eine kleine Shampooflasche gekauft. Das Waschstück flog also nach ein paar Tagen in den Müll. Waschlappen und Outdoorhandtuch waren das Gewicht allerdings wert, darauf würde ich nicht verzichten. Ich hatte alles in xxs-Größe dabei, das hat ausgereicht. Alle Kleinigkeiten lassen sich auch in der Packliste nachlesen, es gab nichts, was wir nicht auch dankbar benutzt haben.

Medikamente hatten wir ziemlich viele dabei, Jules Freund ist nämlich Arzt und hat sie ohne 600 Gramm Tabletten, Salben und Pasten nicht auf den Trail gelassen. Zusätzlich hatte ich noch das Erste-Hilfe-Set dabei. Letztlich aber war ich dankbar, die meisten Sachen haben wir tatsächlich gebraucht. Vor allem Wundsalbe, Pflaster, Mullbinden, Tape, Schmerztabletten und Durchfallmittel sollte man im Gepäck haben. Die Antibiotika haben wir glücklicherweise nicht benötigt. Zukünftig würde ich in jedem Fall auch Calamine Lotion und ein Antiallergikum mitnehmen - mit Poison Ivy ist nicht zu spaßen. Ein wirksames Mückenmittel ist ebenfalls unverzichtbar (50 Prozent Deed reichen nicht!).

Ausrüstungscheck für den Appalachian Trail

Ausrüstungscheck Appalachian Trail - Teil 1

Endlich komme ich dazu, ein kurzes Fazit zu unserer Ausrüstung für den Appalachian Trail zu ziehen. Ich muss dabei betonen, dass wir aus Kostengründen nicht immer zum High-end-Produkt gegriffen haben, sondern auch einige Kompromisse eingegangen sind. Ich gehe einfach mal der Reihe nach durch.

1. Der Rucksack: Tatonka Gradient
Dazu muss ich nicht mehr viel schreiben, da ich den Tatonka schon auf meiner Tour entlang des Jakobsweges dabei hatte. Und auch auf dem AT hat mich der Rucksack nicht enttäuscht. Da wir nun aber unser Basisgewicht auf 9 Kilogramm drücken konnten, ist es vielleicht an der Zeit, über eine leichtere Alternative nachzudenken. Ins Auge gefasst habe ich den Granite Gear Vapor Trail, einen mittelgroßen Leichtgewichtsrucksack, der etwa 1000 Gramm wiegt und für ein Packgewicht von 14 Kilogramm ausgelegt ist.

2. Die Wanderschuhe: Meindl Vakuum Lady
Auf dem Trail scheiden sich die Geister was die Wanderschuhe anbelangt. Die meisten Hiker tragen leichte, knöchelhohe Trekkingschuhe; schwere Lederstiefel sind seltener. Wir waren aber trotzdem ziemlich froh, auf die dicken Meindls gesetzt zu haben: Auf rutschigen, regennassen Steinen, mit viel Gepäck und ohne Wanderstöcke bevorzuge ich einen festen und sicheren Tritt.

3. Der Regenschutz: Wäfo Kraxenponcho Cristallo, Tatonka Gamaschen
Es gibt keine perfekte Art, sich vor Dauerregen zu schützen. Ich hatte für den Trail einen Wäfo Kraxenponcho dabei, dazu ein paar wasserdichte, kostengünstige Gamaschen von Tatonka. Jule trug eine Hardshell von Columbia, sowie eine billige Regenhose von Tchibo. Wie man unschwer erkennt: Wir waren wenig profimäßig ausgerüstet. Trotzdem würde ich wahrscheinlich an meiner Kombination nichts ändern. Zwar sammelt sich im Poncho (trotz atmungsaktiver Membran) irgendwann das Kondenswasser, aber zumindest ist man nicht so eingepackt wie in Jacke und Hose. Ab und zu wedelt man ein wenig herum, um Luft hereinzulassen; bei leichtem Regen habe ich den Poncho nur als Regenschutz für den Rucksack verwendet. Die Gamaschen waren für den Preis alles was ich brauchte, sie haben verhindert, dass von oben Wasser in meine Schuhe lief (auch wenn ich in den Teilen schon geschwitzt habe).
Ich glaube, die größte Erkenntnis ist sowieso folgende: Egal ob High-End-Gore-Tex-Super-Jacke oder eben Billo-Poncho - nach 8 Stunden Regenmarsch ist im Shelter jeder nass gewesen. Viel wichtiger ist es, schnelltrocknende Klamotten unter der Regenkluft zu haben. Das ist mein nächster Punkt.

4. Die Wanderbekleidung: Meru Dauphin Pants, Four Seasons Chinook Softshell, High Colorado Matterhorn 2L Fleece, Falke Ergonomic TK usw.
Zuallererst: Auch wenn ich auf dem Jakobsweg prima mit einfachen Shirts aus Baumwolle zurechtgekommen bin - auf dem Trail ging es damit überhaupt nicht. Ich war einfach ständig nass. Sobald man den Rucksack aufgeschnallt hatte und losgestapft war, saugte sich das T-Shirt mit Schweiß voll. Keine schöne Sache - und bei einer Dusche alle drei Tage und nur einem Wechselshirt (zum Schlafen) auch nicht besonders geruchsarm. Ich habe dann in Waynesboro ein günstiges Funktionsshirt von The North Face gekauft. Das hat zwar auch ziemlich schnell ziemlich unangenehm geduftet, war aber wenigstens rasch trocken und dadurch angenehm zu tragen. Bei der nächsten Tour werde ich mich vermutlich für ein Funktionsunterwäsche-Shirt entscheiden. Die sind recht eng und leiten dadurch den Schweiß rasch weg vom Körper, außerdem werden sie ziemlich schnell trocken. Für den Winter habe ich mir ein Longshirt von Kaikkialla gekauft und bin damit sehr zufrieden. Deshalb werde ich wohl einfach noch die kurze Variante davon bestelllen. Zum Schlafen würde ich aber in jedem Fall wieder ein einfaches Baumwollshirt mitnehmen.

Mit der Meru Dauphin Pants bin ich zufrieden, Passform prima, Material robust. Zudem ist die Hose ziemlich schnell trocken geworden, auch wenn man das ob des recht dicken Materials nicht glauben würde. Ich hatte mich aus Angst vor Schlangen und Poison Ivy bewusst für eine lange Hose entschieden, für abends hatte ich noch eine einfache Boxershorts zum Wechseln dabei. In der Zukunft aber würde ich es vermutlich so wie die meisten Hiker auf dem Trail machen: Eine schnelltrocknende Trailrunner-Shorts zum Wandern und eine dünne, lange, ebenfalls schnelltrocknende Hose zum Wechseln oder wenn es mal kühler ist.

Die Fleecejacke und auch die Softshell waren für den günstigen Preis absolut in Ordnung. Ich hatte erst überlegt, ob ich die Softshell überhaupt mitnehmen sollte, war aber letztlich sehr froh sie dabei zu haben. Vor allem an kühlen, nebeligen Tagen hat die Chinook gute Dienste geleistet. Viel Wasser kann sie zwar nicht abhalten, winddicht aber ist sie in jedem Fall, außerdem wird sie sehr schnell trocken. Das Fleece hat mich ebenfalls überzeugt, die Jacke hat ihre Form behalten, das Material weist auch nach einem Jahr noch nicht das gefürchtete Pilling auf. Was will man mehr für 30 Euro? Die 100er Stärke war im Übrigen warm genug selbst für kalte Tage auf dem Trail.

Die Falke Socken haben mich persönlich restlos überzeugt, Jule allerdings hatte mit Blasen zu kämpfen. Ich würde die Socken auf jeden Fall wieder kaufen: Trotz extremer Belastung (ich hatte tatsächlich nur zwei Paar dabei) sind sie auch jetzt noch hervorragend in Schuss. Guter Kauf! Kurz zum Thema Unterwäsche: Hier hatte ich keinerlei Funktionssachen, trotzdem bin ich prima zurechtgekommen. Für die nächste Tour würde ich vermutlich dennoch in Funktionsunterwäsche investieren, auch weil das TNF-Shirt aus Waynesboro durch den BH-Verschluss am Rücken schon ganz aufgeribbelt ist - das würde ich in Zukunft vermeiden wollen.

Das buff-Schlauchtuch war - wie immer - praktisch und gut. Ich hatte es oft als Stirnband auf dem Kopf oder als Sonnenschutz um den Hals (ich verbrenne mir den Nacken ziemlich schnell). Für die Mädels unter uns: Das buff auch prima, um den Haarwust unter Kontrolle zu halten.

Tipps für die Wanderung auf dem Appalachian Trail

In wilder Reihenfolge haben Jule und ich ein paar Tipps für den Appalachian Trail zusammengetragen. Manches ist vielleicht ganz hilfreich für Zukunfts-Hiker:

1. Zipp-Tüten benutzen: wasserdicht, übersichtlich, müllsparend.

2. Lebensmittel (Kekse, Müsli usw.) auspacken. Und dann in - naaa? - Zipp-Tüten füllen. Spart viel Rucksackplatz.

3. Müll verbrennen, was geht. An jedem Shelter gibt es Feuerstellen.

4. Essen auf dem Lagerfeuer zubereiten. Macht zwar den Topf ein wenig schmierig, dafür spart man Brennstoff und muss nicht so viel davon mitnehmen. Deckel ist hilfreich!

5. Einen kleinen Nylonsack mitnehmen, dann lässt sich eine Schnur leichter über einen Ast werfen, um Vorräte sicher vor Bären aufzuhängen (Säckchen mit Steinen füllen, an die Leine binden, Leine festhalten, Säckchen werfen).

6. Schnur nicht vergessen. Auch zum Wäschetrocknen gut.

7. Größeren, wasserdichten Nylonsack für die Vorräte mitnehmen. Ein Müllsack tut's nicht lange (hatten wir zunächst dabei).

8. Wasserreinigungs-Backup mitnehmen! Unser Filter war nach drei Tagen hin, wir sind dann auf Tropfen umgestiegen. Auch ganz praktisch: UV-Filter. Zwar bleiben die Sedimente drin, dafür kann man schnell viel Wasser behandeln.

9. Gute Trailnahrung: Haferflocken, Reis- und Nudelgerichte, Instant-Nudelsuppe, Schokoriegel, Erdnussbutter, Poptarts.

10. Wer mag: Tee. Obwohl notorische Kaffeetrinker sind wir schnell auf Schwarz- und Kräutertee umgestiegen. Abends haben wir einen ganzen Topf gekocht, sehr angenehm - gerade wenn's mal nicht so warm ist.

11. s'mores: gerösteter Marshmallow+Keks+Schoki - leicht, lecker, kalorienreich.

12. Feste Wanderstiefel statt Trekkingschuhe. Das sieht zwar jeder anders, aber wir waren froh, diverse Felsen sicher überklettern zu können (gerade wenn es geregnet hat...).

13. Crocs oder FlipFlops für den Abend am Shelter. Ich würde Crocs empfehlen - hässlich, aber leicht und bequem.

14. Moskitonetz (Innenzelt geht auch). Zwar haben wir auch Insektenspray benutzt, aber im Innenzelt war es wirklich angenehmer. Auch wegen der dicken, handtellergroßen Spinnen in den Sheltern...

15. Alkoholkocher - die Entdeckung! Denaturierten Alkohol gibt es überall zu kaufen und die Kocher sind extrem leicht (etwa 4 Gramm wog der leichteste...). Benzin (Coleman Fuel) gibt's kaum noch, weil alle Gas oder Alkohol benutzen.

16. Gamaschen haben sich bewährt: Schutz in nassem Gras, leicht, Schutz vor Schlangen und Poison Ivy.

17. Zwei Shirts genügen: Ein Funktionsshirt zum Wandern, ein normales zum Schlafen. Man müffelt so oder so.

18. Tipp zum T-Shirt-Trocknen: Shirt über Nacht zwischen Schlafsack und Isomatte legen. Morgens ist es meist nur noch etwas klamm, oft auch ganz trocken.

19. Lunchpause. Haben wir am Anfang nicht gemacht, hilft aber, keinen Hungerast zu bekommen.

20. Uhr mitnehmen. Hilft vor allem bei der Einschätzung der zurückgelegten Strecke. Schilder mit Meilenangaben gibt's nämlich kaum und manchmal ist der Thru Hiker's Companion etwas ungenau.

21. Handy mitnehmen. Braucht man ab und zu, um einen Trail-Angel anzurufen. Allerdings ist der Empfang meist schlecht.

22. Trail-Angel anrufen! Haben wir anfangs nicht gemacht, erspart aber oft ermüdende Wanderungen entlang der Straße in den nächsten Ort. Und man erfährt Wissenswertes und den neuesten Trail-Klatsch.

23. Karten sind hilfreich, aber nicht notwendig. Der Thru Hiker's Companion genügt.

24. Beim Mückenschutz auf 100 Prozent Deet achten. Wir hatten eine Konzentration von 50 Prozent - das hat die Mücken nicht - haha - gejuckt. Sind dann sehr schnell umgestiegen.

25. Machbar: Alle drei bis vier Tage in einer Stadt oder auf einem Campingplatz einfallen und Lebensmittel aufstocken. Dabei beachten: Short Term Resupply heißt, dass es oft nur das Nötigste gibt und das sehr teuer.

26. Reclamhefte als Reiselektüre: leicht und unterhaltend. Manchmal gibt's auch ein Buch in den Sheltern. War abends schon sehr gemütlich, mit Stirnlampe lesend im Schlafsack.

27. Umrechnung: 1 Meile = 1,6 Kilometer. Im Durchschnitt sind wir zwischen 2 und 3 Meilen pro Stunde gelaufen. Kommt natürlich auf das Höhenprofil an (hier ist der Companion nicht sehr verlässlich).

28. Neun Kilo Rucksackgewicht war für uns in Ordnung, dazu kam das Essen für etwa drei Tage und zwei Liter Wasser.

29. Log-Bücher in den Sheltern lesen und sich eintragen: Man erfährt, ob es irgendwo kein Wasser gibt, wie das Wetter wird, ob ein Trail-Angel vielleicht etwas Bier oder Coke in die Quelle gelegt hat usw. - wirklich hilfreich! Außerdem bleibt man mit den anderen Hikern in Kontakt.

30. Bei Poison Ivy oder Poison Oak: Nicht kratzen, dann wird's nur schlimmer! Calamine Lotion im Supermarkt kaufen, bei stärkeren Beschwerden ein Antiallergikum einnehmen.

31. Zelt mitnehmen. Wir haben es öfter gebraucht, wenn auch manchmal nur das Innenzelt. Vor allem in der Hochsaison, am Wochenende und bei Regen sind die Shelter früh voll. Ein Tarp finde ich ungünstig, bei wasserfallartigen Regengüssen in der Nacht war ich froh, dass wir im Trockenen lagen.

32. Faltflasche: Praktisch zum Wassertransport, wenn die Quelle weit vom Shelter entfernt liegt. Ist leicht und platzsparend.

33. Wer blasenanfällig ist: In den Outfittern gibt es feine Söckchen, die man unter die Wandersocken zieht. Jule hat sich gegen Ende der Tour welche gekauft und war sehr zufrieden. Kosten um die 5 Dollar.

Das war's erst mal. Uns fällt im Laufe der Zeit aber bestimmt noch mehr ein. Ansonsten - einfach fragen!

...hab ich schon erwähnt, dass ich schon wieder loswandern könnte...

Appalachian Trail - Reisebericht über Harpers Ferry

Ich bin todmuede. Der Tag heute war zwar meilenmaessig nur mittelschlimm, dafuer aber sehr heiss. Wie angekuendigt sind wir in Harpers Ferry gewesen und haben das obligatorische Foto am ATC Headquarters gemacht, ausserdem ein paar huebsche AT-Aufnaeher fuer die Rucksaecke gekauft (ja, wir wollen damit angeben). Jetzt sitzen wir frisch gewaschen und mit Nudeln abgefuellt im Harpers Ferry Hostel. Eigentlich wollten wir ja nur einen Platz fuer unser Zelt, aber ein Zimmer kostete gerade 7 Dollar mehr, deshalb dieser ungewohnte Luxus.

f:id:dirkwerner:20170824122452j:plain


Jule hat vorhin in einer um diese Tageszeit verblueffend aktiven Minute festgestellt, dass wir bisher lediglich drei Naechte (inklusive heute) in einer Nicht-Shelter-Unterkunft verbracht und weitere drei Naechte auf kommerziellen Campingplaetzen geschlummert haben. Gute Bilanz.
(Die Wahrheit ist: Wir brauchen das Geld fuer Essen).

Seit dem letzten laengeren Eintrag ist wieder viel passiert. Von Waynesboro ging es - dicht gefolgt von Rat (nicht "Ret", wie gedacht) - 6 Meilen zum Calf Mtn. Shelter, das am Abend von bedenklich lauten Gewittern umbraust wurde. Wir aber hatten Dank unserem persoenlichen Marine trotzdem ein Feuer und damit unsere Lieblings-Abend-Nahrung: s'mores (geroesteter Marshmallow, Schoki, Keks = lecker).
Auch am folgenden Tag sind wir mit Rat gewandert. Er wollte uns einfach seinen "favorite place on the trail" zeigen: Black Rock. Und tatsaechlich - die felsige Bergkuppe ist sagenhaft. Man hat einen nahezu 360-Grad-Blick auf die weiten Waelder der Appalachen. Wir sind am naechsten Morgen extra vor Sonnenaufgang noch einmal auf den Berg gestiegen (ICH, VOR Sonnenaufgang...). Es war bitterkalt und leider etwas wolkig, trotzdem aber wunderschoen.
Hier, im Morgengrauen, hat sich Rat dann doch von uns verabschiedet. Kurz und schmerzlos, ganz der Military Man. Ich glaube, er waere dennoch am liebsten bis nach Harpers Ferry mit uns gewandert.

Kurzer Einschub: "Geschichten von Rat" - oder: "Dinge, die es sich ueber Rat zu wissen lohnt"

1. Nicht einmal seine engsten Freunde kennen seinen richtigen Namen.

2. Er arbeitet fuer die Regierung. Was genau - geheim.

3. Er pustet Lagerfeuer in Liegestuetz-Position an.

Wir vermissen ihn ein bisschen!

Nun also wieder allein auf dem Trail und hinein in den Shenandoah. Einem der baerenbevoelkertsten Trail-Abschnitte. Und tatsaechlich, wir haben sie gesehen. 12 Stueck insgesamt. Und auch wenn ich jetzt ob der Spannung berichten muesste, dass sie Jule auf den naechsten Baum gejagt oder zumindest ein wenig am Baerenbeutel oder an meinem ohnmaechtigen Koerper genagt haben - die Begegnungen waren in Wirklichkeit doch eher harmloser Natur. Zumeist haben die angeblichen Raubtiere panikartig die Flucht ergriffen, sobald sie uns gehoert (oder viel eher: gerochen) haben. Es gibt ein paar verwackelte Beweisfotos, die selbstverstaendlich nach unserer Rueckkehr in diesem Blog veroeffentlicht werden.

f:id:dirkwerner:20170824122716j:plain

Shenandoah ist bisher unser liebster Abschnitt gewesen. Es gibt nur kleine Anstiege, die Natur ist herrlich, und alle 20 Meilen gibt es ein Restaurant oder einen Campstore (die Brombeer-Eiscreme kann man nur empfehlen). Dank des weniger anstrengenden Hoehenprofils haben wir auch unseren ersten 20-plus-Meilen Tag hinter uns gebracht. Moechte ich aber nicht noch mal unbedingt wiederholen, ein Durchschnitt von etwa 14 Meilen am Tag genuegt mir voellig. Dann bleibt auch noch genug Zeit fuer das geliebte Feuerchen, den Tee, die Sandwiches ...

Auch in Shenandoah war das Glueck wieder auf unserer Seite. Besonders in Erinnerung geblieben: Am Pinnacle Picnicground packten wir gerade unser typisches Lunchpaket aus (Brot, Buechsenfleisch, Kekse), als eine aeltere Dame auf uns zukam:
Sie: "Ihr seid Deutsche, nicht?"
Wir: "Ja."
Ueblicher Austausch ueber Wohnort, Berufsstand usw. Sie kam aus Muenchen und begleitete einen Schueleraustausch, der vom "American Woman's Club" (oder so aehnlich) organisiert worden ist. Aha.
Sie: "Ich habe hier Huehnchen von gestern, bedient euch. Wir fahren jetzt weiter. Gute Reise."
Wir: Abwesend, weil in Huehnchen versunken.
Zwei Minuten spaeter brachte sie uns noch kaltes Wasser, weitere zwei Minuten spaeter vier riesige Kuchenstuecke. Ich weiss nicht mal mehr ihren Namen, doch mein Dank ist ihr ewig sicher!

In Front Royal haben wir den Nationalpark schliesslich verlassen. Und auch hier hat wieder einmal alles gepasst: Wenige Tage zuvor hatten wir Mike getroffen, der mit seinem Sohn seit neun Jahren in kleinen Abschnitten den AT erwandert. Und er erzaehlte uns von Sharon, die gemeinsam mit ihrem Mann scheinbar nur auf dieser Welt ist, um Hikern Gutes zu tun: Man darf umsonst in ihrem Haus uebernachten, bekommt ein ueppiges Dinner am Abend, ein reichhaltiges Fruehstueck und wird auch noch vom und zum AT kutschiert. Umsonst, wie gesagt. Nur eine kleine Spende fuer das Essen moechte sie.
Tatsaechlich holte sie uns puenktlich wie ausgemacht am AT ab (sogar ein bisschen eher, wir waren in Anbetracht von baldiger Cola bereits eine Stunde zu frueh am Treffpunkt). In weisse Bademaentel gehuellt sassen wir alsbald mit Bier am Abendbrottisch und hoerten spannende Geschichten von Tom, dem Ehemann von Sharon, der aktives Mitglied im lokalen AT-Wanderclub ist und sein Leben dem Bauen von Wanderwegen gewidmet hat (zumindest sein Pensionaers-Dasein, zuvor haben sie beide bei der Army gedient und unter anderem drei Jahre in Frankfurt gelebt). Es war ein gemuetlicher Abend und ein herrliches Gefuehl mal wieder in einem Bett zu schlafen. Leider begann der naechste Tag fuer mich eher unschoen: Mein Magen rebellierte und ich lag den ganzen Vormittag im Bett, waehrend Jule sich am Hausputz beteiligte. Gegen Mittag wurde es aber etwas besser und Sharon fuhr uns zurueck zum AT. Es regnete in Stroemen und ich fuehlte mich ziemlich matt, deshalb machten wir bereits nach sieben Meilen am Dick's Dome Shelter Halt. Dort trafen wir uebrigens auch auf Bryan, der uns spaeter das bereits erwaehnte Radio schenken sollte.

So viel fuer jetzt, gleich klappen meine Augen zu. Jule, die Gute, hat noch ein Pfefferminztee bereitet, dann geht es ins Bettchen.

Viele Gruesse!

Kurzes Lebenszeichen vom Trail

f:id:dirkwerner:20170824121915j:plain

Wir sind in Bears Den, einem Hiker-Hostel etwa 20 Meilen suedlich von Harpers Ferry. Das Wetter ist wenig gemuetlich, es regnet ab und zu und dicke Wolken haengen in den Bergen. Trotzdem geht es uns gut - gestern hat es naemlich wieder etwas "trail magic" fuer uns gegeben: Bryan, ein junger Typ aus Richmond, ist zwei Tage mit uns gelaufen und hat uns zum Abschied sein kleines Radio geschenkt. Es funktioniert mit Muskelschmalz, eine Kurbel erzeugt Energie. Und so sassen wir am Nachmittag gemuetlich am Lagerfeuer, haben PBJ's gefuttert (Sandwiches mit Erdnussbutter und Marmelade), Tee getrunken und Countrymusik aus dem Shenandoah Valley gelauscht. Herrlich.

Da wir heute noch ein paar Meilen vor uns haben und hier in Bears Den nur eine Cola-Pause machen, bleibt leider nicht viel Zeit fuer den Blog. Morgen kommen wir nach Harpers Ferry, aber dort bleiben wir auch nur fuer ein Lunch und einen Besuch im ATC Headquaters. Bis Freitag sind wir noch auf dem Trail, Samstag geht es mit einem Trail Angel nach Harrisburg in Pennsylvania und dann mit dem Greyhound nach Newark. Sonntag gehoert New York. Wir traeumen von einer dicken Portion Sesam-Huehnchen!!!

Jetzt geht es aber erst mal zurueck auf den "roller coaster", einem 13-Meilen Stueck mit gefuehlten 150 Anstiegen und Abstiegen... (in Wahrheit sind es nur 10, ist aber trotzdem anstrengend).

Viele Gruesse
Susa und Jule

Kleiner Nachtrag: Jule und ich scheinen schon wieder diesen bestimmten Waldmuff angenommen zu haben, jedenfalls laeuft der kleine elektrische Duftspender hier am Computertisch gerade Amok... Wir sollten weiter! ;)

Reisebericht Appalachian Trail - Teil 2

Ich hatte mir die Naechte in den Waeldern der Appalachen ganz anders vorgestellt: Absolute Stille, durchbrochen allenfalls von dem Knacken des Unterholzes, wenn sich ein hoffentlich friedfertiger Waldbewohner (Maus oder kleiner) zu einem Mitternachtsimbiss begibt. Ich lag damit ziemlich falsch. Hier ist es so unglaublich laut, man kann es kaum in Worte fassen. Es sind die Zikaden (hier "crickets"), die alles uebertoenen. Naechtlichen Besuch im Lager bekommt man wohl erst mit, wenn er einem den Fuss abkaut oder so.

Und ich muss zugeben, auch die Tage habe ich mir ein kleines bisschen anders vorgestellt: Die ersten 150 Meilen waren doch ziemlich anstrengend. Der Weg nimmt jeden kleinen Gipfel mit, selten geht es ein Stueck gerade. Man klettert ueber Felsen und Baumstaemme. Und entweder sieht man vor lauter Nebel die eigenen Fuesse kaum und schlottert bei der Mittagspause vor Kaelte - oder die Sonne meint es es etwas zu gut und treibt einem den Schweiss in Baechen das Gesicht herunter.
Trotzdem: Der Trail hat uns bereits jetzt eingefangen, wir haben eine grossartige Zeit. Das liegt auch an den vielen netten Menschen, die wir hier treffen. Nach dem Abschied von Dave in Daleville sind wir die ersten Meilen allein auf dem Trail gelaufen, aber schon ein paar Stunden spaeter trafen wir auf "Halffast", dem wir in den folgenden Tagen immer wieder begegnen sollten. Halffast ist seit April auf dem AT unterwegs, in Harpers Ferry wird er aufhoeren und im naechsten Jahr vielleicht den Rest des Weges gehen. Leider haben wir schon einige Tage nichts mehr von ihm gehoert, auch in den Log-Buechern in den Sheltern ist keine Spur von ihm. Hoffentlich ist alles in Ordnung.

Die ersten Tage nach unserem Stopp in Daleville war es fast untertraeglich heiss und zu allem Unglueck ist unser Wasserfilter am Wilson Creek Shelter ausgestiegen. Der Aquamira Frontier Pro hat der Wildnis der Appalachen ganze vier Tage getrotzt. Ich bin nicht ueberzeugt! Deshalb sind wir eine fuer unsere Verhaeltnisse ziemliche Moerdertour zum naechsten Campingplatz gelaufen, immerhin 18 Meilen. Und auf dieser Etappe haben wir unsere erste "Trail Magic" erlebt: Wasserflaschen und kleine Packungen mit Nuessen am Wegesrand - einfach zum Mitnehmen fuer muede Wanderer. Wir waren gluecklich! Wenige Meilen spaeter, wir kreuzten gerade den Blue Ridge Parkway (eine Strasse quer durch diesen Teil der Appalachen), spielte sich dann folgende Szene ab:

Wir erreichen den gluehenden Parkway als ein weisser Van anhaelt und ein etwas aelterer Mann aussteigt. Im Sueddstaaten-Slang fragt er, ob wir genug Wasser haben oder welches braeuchten. Wir koennen mit unseren Koepfen kaum schneller nicken: "Wasser waere wirklich prima!". Der Mann oeffnet seinen Kofferraum und belaedt uns mit Wasserflaschen. Und dann sagt er etwas, was sich etwa so anhoerte: "Need some ass?" - frei uebersetzt heisst das so viel wie: "Braucht ihr auch etwas Arsch?". Es dauerte eine Weile, bis wir begriffen, dass der Mann uns nicht etwa seinen Allerwertesten anbot, sondern bloss wissen wollte, ob wir Eis zu unserem Wasser moechten. Der breite Dialekt hier ist manchmal verwirrend.

Mit ausreichend Wasser ausgestattet haben wir uns dann in Richtung Campingplatz geschleppt, nicht ohne beim beruehmten Jenning's Creek Halt zu machen - einem so genannten swimhole - und uns in die Fluten zu stuerzen. Allerdings hatte ich mich gerade zu Halffast an Land begeben als ich Jule eilig aus dem Wasser rennen sah. Eine Schlange wand sich munter durchs Wasser, eine roetlich-braune noch dazu (die sind wohl giftig). Daran muss man sich hier erst noch gewoehnen.

Die letzte Meile gings dann flott zum Campground, der kalten Cola entgegen. Wir hofften, im Campingstore ein paar Wasserreinigungstabletten kaufen zu koennen oder zumindest ein Shuttle zu einem Outfitter in der Naehe zu bekommen, doch wir wurden enttaeuscht. Alles was sie hatten waren ein paar billige Ponchos, Schokoriegel und allerlei Klimbim. Wir bezahlten fuer die Nacht und richteten uns gerade auf dem Zeltplatz ein, als zwei Typen auf uns zu kamen: "Braucht ihr was vom Supermarkt? Wir fahren da jetzt hin. Ihr seid doch Wanderer?". Wieder war uns das Glueck hold. Wir erklaerten die Situation mit dem Wasserfilter und dass wir dringend etwas zur Bekaempfung darmreizender Bakterien braeuchten. Und ob es jemand glaubt oder nicht: Danny und Mike (so hiessen die beiden) sind eine (!) Stunde Umweg zum Wal Mart gefahren und haben uns diese Tabletten besorgt - nicht nur besorgt, GESCHENKT! Ich kann's noch immer nicht fassen. Danach sassen wir bei einem Bierchen bei Ihnen und sind aus dem Dankestammeln nicht mehr heraus gekommen. Irre, ehrlich.

Am naechsten Tag haben wir es ruhig angehen lassen: Fruehstueck im Store (das die Jungs AUCH noch bezahlt haben...), eine Runde schwimmen im Pool (ja, schon wieder), dann vier Meilen zum naechsten Shelter - dem Bryant Ridge Shelter, einem der groessten am Trail.
Tag sieben gehoerte dem Apple Orchard Mountain, mit 4225 Fuss eine der groessten Erhebungen auf unserem Trailstueck. Wie froh ich war, als wir endlich am Shelter und aus den Schuhen waren...
Tag acht brachten Regen und Nebel. Die Temperaturen sanken, der Appetit nach etwas anderem ausser Kartoffelbrei oder Reis stieg. Wir machten am Matts Creek Shelter Halt, entfachten trotz Naesse ein Lagerfeuer, kochten Tee und verkrochen uns in unsere Schlafsaecke. Noch drei Tage bis zur naechsten Dusche...

Der folgende Morgen. Jule und Susa sitzen im Shelter und mampfen schweigend den immergleichen Haferflockenbrei mit Nuessen. Ich werfe einen Blick in den Companion, registriere einen Campingplatz (mit Snack Bar) etwa acht Meilen entfernt von uns und schlage zaghaft einen Zwischenstopp vor. Jule ist gluecklicherweise sofort einverstanden. Ueber die James River Footbridge geht es auf den Highway und dann vier Meilen der Strasse entlang bis zum Wildwood Campground. Wir lassen die Rucksaecke fallen, schuetten Pepsi in uns hinein und sondieren die Menge an gefrorenen Cheeseburgern und Minipizzen. Nach einer Dusche und in sauberen Klamotten sitzen wir futternd unterm Sonnenschirm (die Sonne kam hinter den Wolken hervor) und wir fuehlen uns wohl. Nachdem wir unsere Schokovorraete fuer gefuehlte 100 Dollar aufgestockt hatten, ging es am naechsten Morgen mit Ken, dem Trail Angel, zurueck zum AT und dann elf Meilen zum Punchbowl Shelter. Und dort: wieder Glueck! Zwei Jungs feierten ihren letzten Tag auf dem Trail mit uns und liessen uns an ihren Vorraeten teilhaben. Wieder einmal ziemlich satt vergruben wir uns in die Schlafsaecke.

Tag elf brachte 14 Meilen inklusive dem Balt Knob mit 4059 Fuss (wieder einmal ohne Aussicht). Wir kamen ziemlich muede am Cow Camp Gap Shelter an und trafen dort auf eine Familie, die typisch amerikanisch ein BBQ veranstalteten. Erst guckten sie ein bisschen schief, als wir unser Zelt neben dem Shelter aufbauten, dann aber stuften sie uns offensichtlich als harmlos oder nur halbverrueckt ein. Wir bekamen jedenfalls reichlich Hotdogs ab und Baked Beans (eine Koestlichkeit!). Und sie weihten uns in das Geheimnis von S'mores ein: Man nehmen zwei Kekse, ein Stueck Schokolade, zwei Marshmallows. Man roesste die Marshmallows im Feuer, schmiere sie auf einen Keks, gebe das Stueck Schokolade hinzu, lege den zweiten Keks darauf, druecke einmal zu und beisse herzhaft hinein. Etwas Koestlicheres haben wir selten gegessen und seither gehoert es zu unserer Standard-Wanderer-Nahrung. Goettlich!

f:id:dirkwerner:20170824121320j:plain

Am 12. Tag erreichten wir dann Montebello Camping and Fishing. Einige Meilen zuvor hatten wir zwei Dayhiker getroffen, die ganz erstaunt waren, dass es in Montenello so etwas ueberhaupt geben sollte. Wir waren schon leicht panisch und folgten mit einem mulmigen Gefuehl dem Schild "Montebello Downtown". Haetten wir nicht gemusst: Jenes Downtown bestand aus exakt vier Haeusern. Eins davon war die Rezeption fuer den Campingplatz, der fuer Hiker pro Zelt sogar nur zehn Dollar kostete. Wir deckten uns mit Cola, Hotdogs, Buns, Beans, Schokolade, Marshmallows und Keksen ein und nach einer heissen Dusche veranstalteten wir selbst ein vorzuegliches kleines BBQ.

Tag 13 brachte wieder Regen. Viel Regen. Wir liefen 18 Meilen ueber den Spy Rock und den Priest zum Maupin Field Shelter. Leider liessen wir uns von einer "Abkuerzung" entlang des Mau-Har-Trail verfuehren, der uns zwar drei Meilen sparte - dafuer aber zu einer zwei-Stunden-Kraxelei ueber glitschige Felsen fuehrte. Ich war am Ende meiner Kraft und den Traenen nahe, als wir endlich das Shelter erblickten. Dort brannte bereits ein Feuer - wir waren auf Ret gestossen, einem ehemaligen Soldaten, der vor zwei Jahren seinen Thru-Hike bewaeltigt hatte und nun von Zeit zu Zeit auf dem AT wandert. Er begruesste uns kurz und militaerisch mit den Worten: "Hallo. Ich bin Ret, ein retired Marine. Seid ihr dem 500-Pfund-Baeren begegnet, der eben hier war? Und hoert ihr die Kojoten? Warum humpelst du?". Da hatte er auch schon Jule geschnappt, die wieder einmal Probleme mit dem Knie hatte. Es war dick und tat ziemlich weh. Military Man betastete das Knie sachte, Diagnose: Muskelfaserriss, kuehlen, hochlegen, bald einen Ruhetag einlegen. Jawoll, Sir! Am naechsten Morgen schmiss sich Ret in sein Funktionsoutfitt und spurtete zum naechsten Shelter. Wir schleppten uns die 15,8 Meilen hinterher. Jule ging es nicht sonderlich gut, ich schnaufte sowieso und wir erreichten erst gegen Abend das Paul C. Wolfe Shelter. Ret war bereits seit Stunden dort, hatte gegessen, ein Schlaefchen gemacht und ein Feuer entzuendet. Wir packten zu seiner Ueberraschung Hotdogs und S'mores aus und endlich taute er ein wenig aus seiner Militaerstarre auf. Es war ein lustiger Abend voller spannender Geschichten aus seiner aktiven Zeit bei den Marines, als er ueberall auf der Welt stationiert war. Das Shelter war im Uebrigens eines der schoensten bisher, mit einer kleinen Veranda zum Kochen und viel frischem Wasser.

f:id:dirkwerner:20170824121126j:plain

Tag 15: Waynesboro. Wir haben uns von Ret verabschiedet und machten uns an die letzten fuenf Meilen bis zum Visitors Center, vier Meilen von der Stadt entfernt. Kurz bevor wir die Strasse erreichten, hoerten wir ein tiefes Schnaufen hinter uns - kein Baer, sondern Ret, der spontan beschlossen hatte auf eine Cola am Besucherzentrum mitzukommen. Dort angekommen rief die nette Dame an der Information einen Trail Angel an, der uns kostenlos zum YMCA Family Center in Waynesboro brachte, wo uns kosenlose Duschen und ein freier Campingplatz erwartete. Ret huepfte mit ins Auto, er hatte jetzt Kaffeedurst. Nach einer sehnlichst erwarteten Dusche trafen wir uns alle zum Lunch in Ming's Garden - ein All-you-can-eat-China-Buffet. Ich habe noch nie in meinem Leben so viel gegessn. Es gab alles: Sushi, frische Meeresfruechte, unzaehlige Sorten Huehnchen, Dumplings, Suppen, Wantans, Fruehlingsrollen, Kekse, Kuchen, Eis, Obst. ALLES. Ich hatte kurz Sorge, dass wir gerade unser gesammtes Reisebudget vertilgten. Ich irrte. Es kostete 7 Dollar pro Person. Danach lag ich 20 Minuten auf der Bank vor dem Restaurant, unfaehig mich in irgendeiner Form zu bewegen. Jule schleppte mich schliesslich zum Laundromat, wir schmissen die Dreckklamotten in die Maschine und doesten eine Stunde vollgefuttert und halbnackt (zum Wechseln haben wir, naja, nichts dabei. Ausser vielleicht meinem Regenponcho...) im Waschsalon herum. Danach gings zurueck zum Campground, wo schon - richtig - Ret auf uns wartete. Er hatte eigentlich wieder aufbrechen wollen, aber es sah nach Regen aus, deshalb beschloss er, auch am YMCA zu bleiben. Wir waren froh, denn zwischenzeitlich war ein sehr merkwuerdiges und sehr betrunkendes Paar eingetroffen, dass irgendwie auch den Trail wanderte. Unangenehme Menschen. Das Maedel krallte sich staendig an mir fest und fluesterte: "Say something mean, bitch." Und der Typ war kaum noch in der Lage, sein Bier zum Mund zu fuehren. Wir verabschiedeten uns bald und kuschelten uns in die Schlafsaecke.

Heute also sind wir in Waynesboro, wir haben einen Ruhetag eingelegt. Endlich mal ein bisschen Zeit umherzuschlendern, Kaffe zu trinken und die Computer in der Bibliothek zu besetzen. Vorhin haben wir Vorraete fuer die naechsten Tage eingekauft, morgen geht es in den Shenandoah Nationalpark.
Uebrigens: Ratet, wer am Supermarkt auf uns wartete und eigentlich laengst wieder auf dem Trail sein wollte. Richtig, Ret. ;)

So, wer es bis hierher geschafft hat - yeah! Es ist einfach so viel passiert bisher und noch laengst ist nicht alles erzaehlt. Das naechste Internet wird auch wieder auf sich warten lassen, vermutlich melden wir uns erst wieder am 13. August.